Autor: katkaesk (Seite 5 von 22)

[litrobona:rezension] Jol Rosenberg | Das Geflecht an der Grenze

REZENSION Katharina Peham 2. Februar 2023 Die junge Jägerin Danyla ist für die Nahrungsbeschaffung ihrer Gemeinschaft der Surai in Vataren zuständig. Als sie sich auf Jagd begibt und mit ihrem Bandsinn ein Lebewesen wahrnimmt, schießt sie auf dieses mit einem Pfeil und begegnet so Pako, einem Terraner. Mit dieser Begegnung ändert sich alles auf Beta3 […]

In andere Welten eintauchen: Jol Rosenbergs Das Geflecht an der Grenze — litrobona

Covids Metamorphosen | Maë Schwinghammer

Ist Transformation in Zeiten einer Pandemie möglich? Wenn ja, wie verändern wir uns? Wie sehr benötigt es ein Außen, dass unsere Veränderung wahrnimmt und begleitet? Welche Transformationen werden von dem Außen überhaupt angenommen?

Selbst wenn man Ovids Metamorphosen nicht kennt, erkennt man die Veränderung die Maë Schwinhammer (@maeschwinghammer ) mit diesem Lyrikband vorlegt: Zunächst ist da die Veränderung der Sozialisation, die sich in der Biografie, als auch in der Lyrik ablesen lassen. Dann ist da eine Veränderung und Transformation von der angenommenen Zweigeschlechtlichkeit, in ein offenes Feld an sozialen Geschlechtern, ein Hadern des Vaters mit eingenommen. Da ist die Transformation des Namens als Teil der Identität ein wesentlicher Bestand des Werkes.

Maë Schwinghammer hat das Buch in 16 Bücher geteilt und größtenteils pro Buch 5 Gedichte geschrieben, die zum Ende hin offener werden, während am Beginn die Hexameter-Form streng eingehalten wird und sich so am Original orientiert.



Interpretation wird zur Glückssache, die wichtigen Aussagen bleiben in Klartext vorhanden – Schwinghammer hat sich intensiv mit den antiken Sagen auseinandergesetzt und hat sich die schönsten davon, welche im Originaltext als 250 Einzelsagen vorhanden sind, herausgepickt und lyrisch verarbeitet.

Politisch lyrisch erweist sich das Buch auch als Diskurs über Macht und Geschlecht. So werden die Frauen betrauert, die in den Sagen geringfügig geschätzt werden, und als Leidtragende in Bezug auf die männliche Göttlichkeit hervorgehoben werden.

Göttlich amüsiert werden jedoch jene Menschen von Covids Metamorphosen sein, die all das verloren geglaubte Wissen antiker Sagen wiederentdecken können.

[Information] Covids Metamorphosen. Maë Schwinghammer. Klever Verlag. ISBN 978-3-903110-82-3. 96 Seiten. 18 Euro.

Ein Dankeschön an Maë für das tolle Buch mit Tivolis Pfotenabdruck darin.

[rezension] Ein Einzelzimmer bitte | Martin Troger

Wir haben einander nie beim Hinunterstürzen zuschauen wollen, aber wir haben uns ineinander gestürzt, ohne uns vorher abzusichern. Wir haben uns lange über die Nützlichkeit der Erze in der Wand unterhalten.

Wenn mich etwas begeistert hat an diesem Kurzgeschichten-Band, dann dieser eine Satz, der alles zusammenfasst für mich, wie die einzelnen Geschichten auf mich wirken: Absurd, trocken, eine unverkennbare literarische Stimme und ohne zu viel zu wollen. Das Ergebnis darf sein, dass es diese Kurzgeschichte gibt, die in einem Raum steht und die Lesenden können sich davon nehmen, was sie wollen.

Das war neu für mich, Kurzgeschichten so zu sehen, hatten die meisten, die ich bis dato gelesen hatte, immer eine Botschaft an die Lesenden, eine Moral versteckt, die es gilt zu entdecken und für sich zu verorten. Die zweite Frage, die mich umtrieb, war, kann ich denn ein Buch rezensieren, dessen Autor ich besser kenne und sich in meinem Freundeskreis befindet?

Martin ist wie ich Redaktionsmitglied der österreichischen Literaturzeitschrift mischen und doch habe ich noch nichts von ihm allein gelesen. Ich kannte bis dato nur die literarischen Projekte, die Martin mit seiner Freundin Anna veröffentlicht hatte. Gespannt war ich, was Martin schreibt, wenn er allein schreibt und seine Geschichten für sich stehen.

Der Verlag bewirbt das Buch damit, dass es mit psychologischem Gespür sowie herausragender Beobachtungsgabe die Mechanismen der zwischenmenschlichen Beziehungen offenlegt. Insgesamt wartet dieses Buch mit 21 Geschichten auf und keine gleicht der anderen:

Die erste Geschichte erzählt von der Debatte rund um Eichkätzchen vs. Eichhörnchen, darauf folgend gibt es Enten im Park, Vogelträume, Menschen, die allein singen wollen, über Schluchten, an denen ein Wir nicht gefunden werden kann. Oder auch fast in zynisch, karikiertem Ton einen bald in die Rente gehenden Polizisten, der seinen letzten Fall lösen muss.

Am meisten hat es mir wohl die Geschichte „Vogeltraum“ angetan, ein Mann, der einen Freund bewundert, der Musiker ist und zu einem Vogel wird. Es ist so herrlich absurd und schmerzhaft zu lesen, wie diese Freundschaft zerbricht:

Roman flog in den Garten einer Villa. […] Er flog durch den Spalt, den die Tür geöffnet war und setzte sich drinnen in eine Nische unter dem Dach. Unten sah er Jonas. In diesem Moment verstummt das Lied über den Vogel in Romans Kopf.

Häufig bin ich glücklich und zeitgleich neidisch, wenn ich Sätze lese, die so großartig sind, dass ich mich darüber ärgern kann, dass sie mir selbst nicht eingefallen sind. Dieses Buch ist wirklich voll von so Sätzen. Wenn man ein paar wirklich gute Seiten vor dem Einschlafen lesen möchte, sollte man sich das Debüt von Martin Troger auf das Nachtkästchen legen und das nicht nur, weil ich Martin sehr schätze. Es ist ein tolles Buch geworden.

[Information| Ein Einzelzimmer bitte. Paargeschichten. Martin Troger. Zoom.Ed. Rætia. Broschur. 128 Seiten. ISBN: 978-88-7283-852-5. 15 Euro.

Danke Martin für dein Buch, es wird einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal bekommen.

Mein Lesejahr 2022

Mein Lesejahr 2022 war mit 65 Büchern ein durchschnittliches Lesejahr. Ich habe sehr viele ernste Bücher gelesen und mich mit Thematiken beschäftigt, die ich zuvor noch nicht so auf dem Schirm hatte, wie etwa Seuchen, Nachkriegsgenerationen oder auch Gastarbeiter im 20. Jahrhundert. Dieses Jahr habe ich wieder vermehrt Zugang zu Lyrik gefunden und auch hier Einges gelesen und rezensiert. Einen kleinen Einblick in meine diesjährige Lesebiographie möchte ich hier gewähren:

[rezension] Zweckfreie Kuchenanwendungen | Yeoh Jo-Ann

Singapur ist in Europa als kleinster Stadtstaat und wichtigstes Finanzzentrum neben Hongkong bekannt, als Tigerstaat, mit einer der höchsten Lebenserwartungen weltweit, teuren Lebenshaltungskosten und als eines der wichtigsten Touristenziele. Kuchen würde man dort als relevantes Erzählmotiv am allerwenigsten verorten und doch: der Duft von Zucker und Schokolade, Mehl und Zitrone schwebt durch Singapur, als hätte es nie etwas anderes dort gegeben.

Im Mittelpunkt des Romanes steht Sukhin Dhillon, 35 Jahre alt, der Lehrer auf einem College ist. Er hasst seinen Job. Sukhin ist Eigenbrötler, lakonisch veranlagt und sein Leben besteht hauptsächlich aus Arbeiten korrigieren, Jugendliche für Klausuren in Bezug auf englische Literatur vorzubereiten, sich vom Kollegen und Freund Dennis ärgern zu lassen und die Kartonsammlung seiner Eltern zu pflegen. Ein festlicher Anlass zwingt ihn, Besorgungen in einem anderen Stadtteil zu machen, wo er auf seine Exfreundin Jinn trifft – diese lebt trotz wohlhabender Familie auf der Straße und lehnt somit das konservative und konventionelle Leben um sich komplett ab. Schrittweise und langsam nähern sich Sukhin und Jinn wieder an, vorsichtig und ohne viel Fragen zu stellen. Sukhin nimmt sich seiner Exfreundin an, verwöhnt sie mit diversen Kuchen, unterstützt ihr Engagement in einer Freiküche, wo sie aus geklauten Essensresten für Arme und Obdachlose Kulinarisches kocht. Während Sukhin versucht, ihrem Geheimnis auf die Spur zu kommen, entdeckt er neue Seiten an sich, wie etwa die Freude am Backen von Kuchen…

„Seinen Menschen jedenfalls – offenbar gab es tatsächlich Menschen, die nicht begriffen, wozu Kuchen gut war, die das einfach nicht begriffen und deshalb niemals Zutritt zur Kuchengemeinschaft haben, niemals seine Menschen sein würden.“

Yeoh Jo-Ann hat mit ihrem Debütroman einen neuen, erfrischenden Erzählton gefunden und erklärt gleichsam nicht, was es sein möchte: Der Roman Zweckfreie Kuchenanwendungen präsentiert sich als Staatskritik, Liebesgeschichte, queerfreundliche Erzählung und Bildungsroman. Die Geschichte, 2019 als Impractical Uses of Cake erschienen und von Gabriele Haefs für den Kröner Verlag ins Deutsche übersetzt wurde, füllt die leere, kulturelle Landkarte der Lesenden mit einer Menge an Wissen rund um die Kulinarik Singapurs. Weiterhin gibt der Roman aber auch tiefe, kritische Einblicke in das Bildungssystem Singapurs. Die skurrile Figurenzeichnung, die abstruse Geschichte, das offene Ende und auch die poetischen Zwischenkapitel erlauben es nicht, bis zum Ende des Romans hin voreiligen Schlüsse zu ziehen. In Singapur hat trotz engen Raumes viel Platz: Regenmaschinen, mehrfach gebackene Kuchen, Kartonstädte und familiäre und berufliche Konflikte. Yeoh Jo-Ann ist mit „Zweckfreien Kuchenanwendungen“ ein ganz und gar kreatives und buntes Erstlingswerk gelungen, das manchmal bloß an der Oberfläche kratzt, aber bei den wichtigen Themen tief buddeln kann.

Beachtenswert ist die vom Kröner Verlag bewerkstelligte feine Ausgestaltung ebenjenes Romanes, der 2019 mit dem Epigram Books Fiction Price ausgezeichnet wurde. Das hochwertige Cover macht Lust auf Kuchen, das Lesebändchen macht Freude beim Lesen, das Glossar und die Landkarte im Anhang bereichern den Roman um wesentliches Wissen.

Bemerkenswert ist nicht nur das Äußere des Romanes, sondern auch die inneren Werte: Yeoh Jo-Ann hat sich mit dem Ansprechen der Themen Armut, Obdachlosigkeit und LGBTQ+ gegen die offizielle Haltung Singapurs gestellt, die Armut und Obdachlosigkeit leugnet und queere Lebensweisen schwer bestraft. Das Buch, das ein Bestseller in Singapur wurde und mit dem wichtigsten Preis des Landes ausgezeichnet wurde, ist hierzulande noch ein Geheimtipp – hoffentlich nicht mehr allzu lange.

[Information] Yeoh Jo-Ann: Zweckfreie Kuchenanwendungen. Roman. Kröner Verlag. 320 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-520-62501-4, 24 Euro.

Danke an Birgit Böllinger für das Rezensionsexemplar.

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