Stille Kometen, das sind in Angelika Stallhofers Fall ruhige und doch bewegte Gedichte. Kurz und bündig steht jedes Gedicht auf einem weißen Blatt, damit nichts die kometenhafte Ruhe des einzelnen Gedanken stört. Der Band selbst strukturiert sich in fünf Teile:
Brennen, Wasserstelle, Surren, Schlingen, Schwebebahn
Angelika Stallhofer hat das Zeug für Worte zu „Brennen“, wie man bereits im ersten Kapitel merkt. Sie ist zunächst allein mit all den Wörtern und lässt auch Lesende so stehen. Sinnspruchgeflügelte Worte und ein Ahnen nach dem Tod, um den sich das Leben zweifelsohne dreht, ein schwarzes Loch inmitten unseres Alltags, ein lyrisches memento mori wird hier ausgebreitet. In poetische „Wasserstellen“ watet Stallhofer und vermag mit der Nacht zu reden und lässt Worte wie Windhunde los. Sie begibt sich auf Identitätssuche und gewinnt Lesende hier:
Was ich werden wollte / groß und liniert / (nicht klein und kariert)
Stille Kometen / Angelika Stallhofer
Dieses Gedicht bildet wohl die Ausgangslage für die grafische Detailliebe, für die sich Andrea Zámbori zuständig fühlt: feine Linien (nichts Kariertes) in rosa, pink, blau und Backpapierfarben gehalten gesellen sich zu den fünf Kapitelüberschriften jeweils eine Collage hinzu. Zámbori unterstützt Stallhofer bei der Suche nach der Herkunft, da finden (gedankliche) Wolkenhäuser genauso Platz wie ein schlafender, kuschelnder Fuchs und eine dunkle Nacht draußen vor dem Fenster. Die Bilder an sich zeigen eine Einsamkeit, die wassertrübblau eine Geschichte erzählen, von einem grafischen Du, das Stallhofer gekonnt auffängt. Plötzlich finden sich da Fragen nach dem Sein und des eigenen Lebens: Ob der rote Faden im Leben auch eine andere Farbe haben darf, z. B. grün, blau oder gelb.
Im dritten Kapitel wird das „Surren“ laut, hier erwartet die Lesenden Paradoxien:
Paradoxon: Zum Luftholen musst du abtauchen
Stille Kometen / Angelika Stallhofer
Die Härte der Lebensrealität, sodass Mensch im Wasser versinken möchte, bietet einen thematischen Übergang zum Reisekapitel „Schlingen“. Die Autorin nimmt uns mit in Traumwelten und reist mit uns nach Italien, die Via Appia entlang, zeigt uns ein Stück von Paliano und landet schlussendlich an der Molo Audace in Triest. Hier treibt das Meer und der Wind die Lyrik an und macht eine Punktlandung ganz unverhofft in Barcelona. Mit diesem Urlaubsgefühl entlässt uns Stallhofer in die „Schwebebahn“. Hier tänzelt, schwirrt und flattert man um das lyrische Du, das groß aufgeladen ist und mit einem liebevollen Blick bedacht wird. Liebesgedichte, wie Notizen auf den Tisch geklebt: für den Anderen.
Lesende werden in ein Meer an Gefühlen geworfen, das Wasser dominiert auf dem Cover, in das still die Kometen fallen und versinken, auch zwei Kapitelbilder verwässern sich. Zum Schluss wünscht sich auch das letzte Gedicht, dass ein Vogel lieber das Blaue singt, als eine Erdbeere zu stehlen. Hier wird auf ein patentiertes Tapetenmuster von William Morris referenziert, strawberry thief – bei dem ein Vogel frech eine Erdbeere im Schnabel hält und der andere zwitschert.
„Stille Kometen“ ist von feingesponnener Erzählseide. Stallhofers Gedichtband didn’t get the blues, auch wenn er in manchen Kapiteln ein bisschen damit spielt. Hoffnungsfroh und sanft erzählt das Büchlein einen (Arbeits)prozess, der vor allem Lesende von Aphorismen sehr begeistern dürfte.
[Information] Stille Kometen. Gedichte. Angelika Stallhofer. Mit Illustrationen von Andrea Zámbori. edition ch. 74 Seiten. 15 Euro. ISBN 3-978-901015-76-2
Ein herzliches Dankeschön an die Autorin für das Rezensionsexemplar.