Schlagwort: Schriftsteller

  • [review] Die Seiten der Welt | Nachtland #2 | Kai Meyer

    Buch

    Schon seit Wochen roch Furia nach Büchern: Sie war auf dem besten Weg, eine erstklassige Bibliomantin zu werden.

    Furia, Isis, Summerbell, Cat und Finnian sind auf der Flucht. Schon sehr lange und sie verstecken sich in Refugien. In den noch bewohnbaren Refugien, es gibt auch noch sonst die Nachtrefugien, aber die sind gefährlich. Man darf nicht vergessen: Es herrscht Krieg, nicht nur zwischen den Büchern, sondern in der gesamten Bücherwelt. Da braucht es schon so Rebellen wie Furia und ihre Gefährten, die sich dem Kampf der drei Häuser stellen. Und mit Hilfe der Bibliomantik ist alles möglich, zumindest fast. Bibliomantik? Eine Kraft, die aus den Büchern entwächst, man braucht nur Seitenherzen zu spalten. Was, wie Seitenherz? Sie ermöglichen große Kräfte und man kann zwischen den Seiten der Welt umherreisen. Das ist besonders wichtig, wenn man das größte Geheimnis der Bibliomantik in Erfahrung bringen will…

    Autor

    Kai Meyer (*1969) in Lübeck
    studierte Theater, Film und Philosophie
    ist einer der wichtigsten Fantasy-Autoren des deutschsprachigen Raumes
    hat über 50 Romane veröffentlicht und wurden in 30 Sprachen übersetzt

    Ansicht

    Eher aus beruflichen Gründen habe ich das erste Mal ein Buch von Kai Meyer gelesen, ein deutschsprachiger Autor, Fantasy-Romane, genau das was meine berufliche Zielgruppe wohl lesen würde.  Die Seiten-der-Welt-Triologie noch dazu wochenlang auf der Spiegel Bestseller Liste. Gesagt, getan, die Taschenbuch – Ausgabe gekauft, nachdem ich schon häufiger das schöne Cover der gebundenen Ausgabe in den Händen hielt.  Ja, ansprechend, besonders für Mädchen, es schimmert golden und blau, aber nicht kitschig. Ich habe bewusste den Band 2 gekauft. Warum? Ein gutes Buch muss für sich alleine stehen können, ohne den vorherigen Band gelesen zu haben. Also begann ich das Buch zu lesen, in der Erwartung etwas zu finden, dass mich ähnlich in den Bann zog, wie Harry Potter damals, oder der Hobbit, etwas Phantastisches, dass mich in eine neue Welt begleitet, die ich noch nicht kenne. Und ja, ich fand diese Welt vor, eine Welt, in der man sich von einem Refugium ins nächste zaubern kann. Aber alles sehr schwer vorzustellen: Ein Seitenherz spalten, wie sieht das aus? Und was sind bitte Schnabelbücher? Damit tat ich mir das ganze Buch schwer, man will es nicht auf das Buch schieben, vielleicht ist es eine Frage auch das Geistes, der dies imaginieren kann oder nicht. Trotzdem: Sehr befremdlich, diese neuen Erfindungen. Vielleicht liegt es daran, das Band 1 meinerseits nicht gelesen wurde – nur dann wäre wieder die Problematik mit dem guten Buch. Aber: Die Mädchen in diesem Buch! Die Mädchen! Isis und Furia sind Heldinnen und retten ihre Freunde, was das Zeug hält.  So muss Jugendbuch – sichtbare Frauen, die die Fäden in der Hand halten. Männer, die sich auch beschützen und retten lassen. Kinder, die nicht nur lieb sind. Freundschaften, die auf die Probe gestellt werden. Ein Buch, das ich mit 15 sicher lieber gelesen hätte, als jetzt mit 28. Trotzdem: Ich empfand die 591 Seiten nicht als Zeitverschwendung. Es zeigt mir, was sich im Bereich von Jugendbüchern getan hat: Endlich starke, weibliche Charaktere. Ich freue mich. Wirklich.

    InformationDie Seiten der Welt - Kai Meyer

    Die Seiten der Welt
    Kai Meyer
    Fischer Verlag
    591 Seiten
    Preis (Taschenbuch): 11,30 €

  • [review] Winters Garten | Valerie Fritsch

    Das Buch

    Anton Winter wuchs als Sohn eines Geigenbauers auf in einem riesigen Garten zu eine Zeit, als man noch in ein Schicksal hineingeboren werden konnte.

     

    Anton Winter lebt mit seinem Bruder, seinen Eltern und seinen Großeltern am Rande einer Stadt in einem Haus mit einem wunderbaren, riesigen Garten. Der Garten ist ein Paradies, wahrhaftig und doch nah. Als seine Großmutter stirbt, zieht Anton in die Welt aus. Erst als eine Frau kennenlernt und die Wirren des Weltuntergangs zuschlagen, kehrt Anton in den wunderbaren Garten zurück…

    Die Autorin

    Valerie Fritsch (*1989 in Graz)
    studierte Jura und Germanistik (nicht fertig)
    lebt als Schriftstellerin und Photokünstlerin in Graz
    Bisher erschienen:

    2011: VerkörperungEN – Leykam Verlag,
    2015: Kinder der Unschärferelation – Leykam Velag

    Quelle: zeit.de

    Die Ansicht

    Sprachlich war dies mit Abstand der gewaltigste Roman, den ich je lesen durfte. Ich war beeindruckt, wie groß und pathetisch ein Roman sein kann, den jemand schreibt, der so alt ist wie ich. Und: es hing nicht an den Personen, dass ich das Buch an einem Nachmittag verschlungen hatte. Anton Winter steht als Metapher der allgemeinen Gefühlslosigkeit im Raum, die Sehnsucht nach einem Paradies, das es nie geben wird. Es ist die Härte, die einen trifft zwischen all dem Schönen. Die Endzeit in diesem Buch, die so wenig einen Blockbuster gleicht. Das Poetische zwischen den Zeilen. Ein grandioses Buch durch und durch.

    Längst war ein Perpetuum Mobile aus zwei Menschen in Gang gesetzt, so selbstgenügsam wie selbstvergessen (Fritsch 2015)

    Die Information

    Quelle: suhrkamp.de

    Winters Garten
    Valerie Fritsch
    Suhrkamp
    Preis: 17,50 (gebundene Ausgabe)

     

  • With a little help from my friends.

    Ich weiß noch, wir sind im Auto gesessen und haben die Beatles gehört. Es ist nicht die Musik unserer Generation, wir hören sie trotzdem. Wir kennen die Lieder von unseren Eltern, sie schätzten sie nie so sehr wie wir. Deine Finger trommeln leise am Lenkrad mit, du wusstest nicht, dass es eine Twist&Shout Version von den Beatles gibt. Ich erzähle dir, dass John Lennon das Lied mit Heiserkeit eingesungen hat und deshalb seine Stimme tiefer klang. Es interessiert dich nur mäßig, du singst lieber falsch mit.

    Wir sind unterwegs, irgendwo hin und ich wünschte, dieses unterwegs sein endet nie. Long and windy road könnten wir hören, aber es würde uns zu melancholisch stimmen. Wir hören stattdessen „With a little help from my friends“ und ich werde trotzdem traurig. Bald weißt du, dass es eine sehr berühmte Joe Cocker Version von dem Lied gibt und einmal weiß ich mehr von Populärkultur als du.

    Was ich nicht sage ist, dass ich zu der Version von Joe Cocker Sex haben will. In der Anmaßung uns gegenseitig zu zerstören, would you stand up and walk out on me, du weißt, ich käme davon mit einer little help of my friends. Ich brauch jemanden zum Lieben, somebody to love schon 1967 und nicht erst mit Queen 1976. Lieber zum Fenster rausschauen, statt dir zu sagen, dass man zu dem Lied Liebe machen muss und nicht Sex haben, weil Joe Cocker soviel Leidenschaft reingepackt hat, dass Sex zu wenig ist, das muss verdammt noch mal Liebe sein. How to feel about the end of the day und bleib und geh nicht weg und ich will dir sagen, dass ich nicht so ungeliebt wie der fünfte Beatle Brian Epstein enden mag. Aber dich zu diesem Song lieben, ja das will ich, mit all der Melancholie, die ich auftreiben kann und all dem Ungesagten, das in mir boxt und nicht rauskann. I can’t tell you but it’s mine.

    Was würdest du tun, if I sang you a song? Ich weiß es nicht, aber es wäre wohl schmerzhaft für dich. Alles was ich über dich sage, ist für dich schwer zu verkraften. Keine Widmungen mehr, hatte ich dir geschworen und es schon hundertmal gebrochen, ich kann nicht von dir schweigen und nicht über dich schweigen, es war Liebe auf den ersten Blick, nein, aufs erste Wort und es passiert nicht die ganze Zeit, das ist wie mit ersten Sätze in Büchern, die wenigsten sind wirklich gelungen. Wie wird es uns gelingen, neue Welten zu erklimmen. Little help to get high? Mit dir oder dem langgehegten Wunsch LSD auszuprobieren. Es ist nicht unsere Zeit dafür, wir wollen das erleben, leider keine Zeitmaschine in die Sechziger nach London und endlich würden deine Schnurrbartversuche nicht mehr lächerlich aussehen. Lakonisch könnten wir der Ästhetik frönen, wir könnten Kostümierungen anziehen, in den Apple Store von den Beatles gehen und er wäre soviel besser als die Apple Stores dieser Tage. Wir könnten in Pubs gehen und Bier trinken und die Welt weniger als einzige Anstalt des Scheiterns betrachten. Wir könnten 7 Tage im Bett liegen als Protest, wie Yoko und John, Kunstausstellungen besuchen und kuratieren und so tun als wären wir Teil der Advantgarde, und uns über unseren Lieblingsbeatle lustig machen, weil er sich beim Mofa-Fahren einen Zahn ausgeschlagen hat und sich deswegen die ganzen Beatles Bärte stehen ließen. Ich kann dir nicht permanent sagen, wie gut dein Bart aussieht, heute tut er es, und er tut es immer, und wir sollten Zigaretten rauchen. Wir sollten uns auch vier Stunden in einen Raum einsperren und so einen Song schreiben, der die ganze Weltgeschichte verändert, in Zeitungen einen besseren Titel finden als Bad Finger Boogie. Oder wir könnten uns in transzendentaler Meditation üben und Maharishi toll finden, oder auch nicht und lieber indisch essen gehen und danach mit vollen Bäuchen ins Bett fallen. Ich bin so voll mit dir, von unten bis oben, mir zerbricht der Brustkorb, so voll ist er, mit all dem, was du mir sagst und denkst und lachst und are you sad because you’re on your own?

    Maybe you get by with a little help from your friends. Wir fahren weiter, nächster Titel.

    Bildnachweis.