Monat: Januar 2023

Covids Metamorphosen | Maë Schwinghammer

Ist Transformation in Zeiten einer Pandemie möglich? Wenn ja, wie verändern wir uns? Wie sehr benötigt es ein Außen, dass unsere Veränderung wahrnimmt und begleitet? Welche Transformationen werden von dem Außen überhaupt angenommen?

Selbst wenn man Ovids Metamorphosen nicht kennt, erkennt man die Veränderung die Maë Schwinhammer (@maeschwinghammer ) mit diesem Lyrikband vorlegt: Zunächst ist da die Veränderung der Sozialisation, die sich in der Biografie, als auch in der Lyrik ablesen lassen. Dann ist da eine Veränderung und Transformation von der angenommenen Zweigeschlechtlichkeit, in ein offenes Feld an sozialen Geschlechtern, ein Hadern des Vaters mit eingenommen. Da ist die Transformation des Namens als Teil der Identität ein wesentlicher Bestand des Werkes.

Maë Schwinghammer hat das Buch in 16 Bücher geteilt und größtenteils pro Buch 5 Gedichte geschrieben, die zum Ende hin offener werden, während am Beginn die Hexameter-Form streng eingehalten wird und sich so am Original orientiert.



Interpretation wird zur Glückssache, die wichtigen Aussagen bleiben in Klartext vorhanden – Schwinghammer hat sich intensiv mit den antiken Sagen auseinandergesetzt und hat sich die schönsten davon, welche im Originaltext als 250 Einzelsagen vorhanden sind, herausgepickt und lyrisch verarbeitet.

Politisch lyrisch erweist sich das Buch auch als Diskurs über Macht und Geschlecht. So werden die Frauen betrauert, die in den Sagen geringfügig geschätzt werden, und als Leidtragende in Bezug auf die männliche Göttlichkeit hervorgehoben werden.

Göttlich amüsiert werden jedoch jene Menschen von Covids Metamorphosen sein, die all das verloren geglaubte Wissen antiker Sagen wiederentdecken können.

[Information] Covids Metamorphosen. Maë Schwinghammer. Klever Verlag. ISBN 978-3-903110-82-3. 96 Seiten. 18 Euro.

Ein Dankeschön an Maë für das tolle Buch mit Tivolis Pfotenabdruck darin.

[rezension] Ein Einzelzimmer bitte | Martin Troger

Wir haben einander nie beim Hinunterstürzen zuschauen wollen, aber wir haben uns ineinander gestürzt, ohne uns vorher abzusichern. Wir haben uns lange über die Nützlichkeit der Erze in der Wand unterhalten.

Wenn mich etwas begeistert hat an diesem Kurzgeschichten-Band, dann dieser eine Satz, der alles zusammenfasst für mich, wie die einzelnen Geschichten auf mich wirken: Absurd, trocken, eine unverkennbare literarische Stimme und ohne zu viel zu wollen. Das Ergebnis darf sein, dass es diese Kurzgeschichte gibt, die in einem Raum steht und die Lesenden können sich davon nehmen, was sie wollen.

Das war neu für mich, Kurzgeschichten so zu sehen, hatten die meisten, die ich bis dato gelesen hatte, immer eine Botschaft an die Lesenden, eine Moral versteckt, die es gilt zu entdecken und für sich zu verorten. Die zweite Frage, die mich umtrieb, war, kann ich denn ein Buch rezensieren, dessen Autor ich besser kenne und sich in meinem Freundeskreis befindet?

Martin ist wie ich Redaktionsmitglied der österreichischen Literaturzeitschrift mischen und doch habe ich noch nichts von ihm allein gelesen. Ich kannte bis dato nur die literarischen Projekte, die Martin mit seiner Freundin Anna veröffentlicht hatte. Gespannt war ich, was Martin schreibt, wenn er allein schreibt und seine Geschichten für sich stehen.

Der Verlag bewirbt das Buch damit, dass es mit psychologischem Gespür sowie herausragender Beobachtungsgabe die Mechanismen der zwischenmenschlichen Beziehungen offenlegt. Insgesamt wartet dieses Buch mit 21 Geschichten auf und keine gleicht der anderen:

Die erste Geschichte erzählt von der Debatte rund um Eichkätzchen vs. Eichhörnchen, darauf folgend gibt es Enten im Park, Vogelträume, Menschen, die allein singen wollen, über Schluchten, an denen ein Wir nicht gefunden werden kann. Oder auch fast in zynisch, karikiertem Ton einen bald in die Rente gehenden Polizisten, der seinen letzten Fall lösen muss.

Am meisten hat es mir wohl die Geschichte „Vogeltraum“ angetan, ein Mann, der einen Freund bewundert, der Musiker ist und zu einem Vogel wird. Es ist so herrlich absurd und schmerzhaft zu lesen, wie diese Freundschaft zerbricht:

Roman flog in den Garten einer Villa. […] Er flog durch den Spalt, den die Tür geöffnet war und setzte sich drinnen in eine Nische unter dem Dach. Unten sah er Jonas. In diesem Moment verstummt das Lied über den Vogel in Romans Kopf.

Häufig bin ich glücklich und zeitgleich neidisch, wenn ich Sätze lese, die so großartig sind, dass ich mich darüber ärgern kann, dass sie mir selbst nicht eingefallen sind. Dieses Buch ist wirklich voll von so Sätzen. Wenn man ein paar wirklich gute Seiten vor dem Einschlafen lesen möchte, sollte man sich das Debüt von Martin Troger auf das Nachtkästchen legen und das nicht nur, weil ich Martin sehr schätze. Es ist ein tolles Buch geworden.

[Information| Ein Einzelzimmer bitte. Paargeschichten. Martin Troger. Zoom.Ed. Rætia. Broschur. 128 Seiten. ISBN: 978-88-7283-852-5. 15 Euro.

Danke Martin für dein Buch, es wird einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal bekommen.

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