Dabei verliere ich kurz die Orientierung, muss meinen Kompass wieder justieren und fasse an den Knoten meiner Krawatte, um zu überprüfen, ob noch alles seine Richtigkeit hat. Der Knoten ist in Ordnung, locker, dünn und schief.
Der 27jähriger Anwalt Mathias Gandt steht am Beginn seines Berufslebens, und möchte alles korrekt machen und die Knoten seines Lebens lösen. Er ist ein stringenter Listenmensch. Selbst seine Lebensziele formuliert er als Liste und anhand der drei Ks: Kanzlei, Karriere, Kind. Gleich zu Anfang des Romans gesellt sich unverhofft das vierte K dazu: Klaudia Antonini, die Lehrerin für Italienisch und Latein ist, und sich zum einen ihren großen Traum einer Literaturvermittlerin in der österreichischen Hauptstadt erfüllen mag und zum anderen eine Familie gründen möchte; im inneren Konflikt, dass sich der zweite Wunsch kaum mehr erfüllen mag mit siebenunddreißig Jahren.
Zwischen Wien und Triest, Romantik und Recht, merken beide schnell, dass alles Verhandlungssache ist und Liebe oft unverhoffte Wege geht: Mathias hält es schwer aus, dass nicht alles kontrollier- und vorhersehbar ist, und stellt fest:
Wir haben nicht das gleiche Tempo. Wir sind Menschen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten.
Die Handlung des Romans gewinnt noch einmal ordentlich an Tempo, während das Leben von Mathias und Klaudia auf den Kopf gestellt wird. In schneller, fließender Sprache mit vielen Dialogen erlebt man die Geschichte hautnah mit. Ein Drehbuch einer Liebe, die sehr ungewöhnlich ist. Locker erzählt kommt auch der Juristen -Jargon daher, der einen immer zum Schmunzeln bringt und ebenso im Nebensatz zwischen Besitz und Eigentum aufklärt, genauso über Wohnungsverträge und Vergleiche:
„Sag: Du hast mir ein Herz geraubt.“ – „Raub ist eine Wegnahme oder Abnötigung einer fremden Sache mit den Mitteln der Gewalt oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben. Vielleicht hinterfragst du deine Vorstellungen von Liebe.„
Besonders beeindruckend ist die Metaebene rund um Streit, Schweigen und Vergleich. Viel Ungesagtes schwingt mit und lässt Lesende selbst auf ihr Konfliktverhalten in Beziehungen blicken. Streiten will gelernt sein und jeder Streit zieht Urteil oder Vergleich mit sich, jede Auseinandersetzung reibt sich an der verwendeten Sprache und dem Gesagten:
Ein Spiel mit Worten: Es geht darum, das richtige zu finden.
Wie Grundtner zärtlich Liebe als Legis actio sacramento in rem verhandelt, kommt in Liebesdingen schnell zum gleichen Schluss wie der Autor:
Mehr spüren und weniger denken.
Ein großes Augenmerk sei auf die Innigkeit und Zuneigung gelegt, die in diesem Roman eingeflossen ist. Auch wenn die literarische Sprache zugunsten der Handlung etwas zu kurz kommt, ist diesem autobiografisch angelehnten Buch eine klare Leseempfehlung auszusprechen: Ein idealer Roman für den Sommer, wenn einen die Sehnsucht nach Triest nicht mehr loslässt und eine kurze Pause von der anstrengenden Welt benötigt wird.
[Information] Markus Grundtner: Die Dringlichkeit der Dinge. Edition Keiper. 250 Seiten. 978-3-903322-55-4. 22 Euro.
Ein herzliches Dankeschön an den Verlag für das Rezensionsexemplar.