Wir sitzen hier, an jenem Bahnhof, der unser Anfang war. Du warst damals gekommen und ich habe dich abgeholt. Dir kam kein Satz über die Lippen, du hast mich nur groß angesehen. Heute siehst du mich genauso groß an und sagst nicht. Wir sitzen hier, auf dieser Bank und die Kälte ist spürbar und lässt mich mindestens genauso erzittern, wie die Gedanken, die in meinem Kopf herumkreisen. Du sagst nichts. Du beißt nur auf deinen Lippen herum, damit man das Beben nicht sieht, das deine Lippen sonst von sich geben würden. Ich kann dich nicht ansehen, nicht mehr und starre deswegen auf meine Schuhe, die sich genauso mitgenommen fühlen wie ich. Dein Kopf bewegt sich langsam und du blickst mich an, mit diesem Blick, den du immer hast, wenn du etwas bereust. Ich brauche dich nicht ansehen, weil ich weiß, wie deine Augen an mir hängenbleiben. Deine Augen werden leer sein, und ich würde mir die Schuld geben, weil ich sie nie füllen konnte mit dieser Begeisterung, die du so selten zeigst. Ich weiß auch, dass deine Augen glasig sind, weil du das Weinen unterdrückst, so wie du alles unterdrückst, weil du Angst hast, dass man es gegen dich verwenden könnte. Wir sitzen hier und wir haben uns nichts zu sagen. Wir haben so viele Geschichten erfunden, wir haben uns das Blaue vom Himmel erzählt und nun sind uns die Worte ausgegangen. Die Lügen haben wir uns jedes Mal aufs Neue aufgetischt und wir haben sie satt. Deine Hände hast du in der Jacke zu Fäusten geballt, weil du so wütend auf das Leben bist. Dein Blick wandert zu deinen Füßen, die nervös hin und her wippen. Meine Pupillen weiten sich, als ich sehe, dass dir nun langsam die Tränen an den Wangen hinunterrollen. Ich muss mich räuspern.
Meine Stimmbänder wollen sich bewegen, doch mehr als verächtliches Schnauben schaffe ich in diesem Moment nicht. Ich möchte dich fragen, warum es soviel gibt, dass ich nicht verstehe kann und ich weiß, dass du es mir nicht beantworten kannst. Wir haben uns durch den Parcour der Unverständlichkeiten immer halbwegs gut durchgeschlängelt, nur den Drahtseilakt haben wir nie geschafft. Wir waren beide nicht sonderlich gute Seiltänzer gewesen, wir haben uns lieber einen Strick daraus gedreht.
„Ich hab´ meinen Regenschirm zuhause vergessen“, gebe ich heiser von mir.
Wir sitzen hier, während der Zug sich langsam dem Bahnsteig nähert. Meinen Rucksack voller Erinnerungen habe ich mir hastig auf den Rücken gehievt, dem ganzen Ballast, den ich mir aufgeladen habe, habe ich reingestopft, aber ich wollte nichts bei dir lassen, weil ich Angst habe, dass ich dich vergesse. Viel zu schnell springe ich auf, weil ich weg will, nicht weg von dir. Du erhebst dich langsam und starrst auf den Zug. Ich weiß, dass du nicht willst, dass ich einsteige. Mit dem Rucksack auf dem Rücken bewege ich mich steif zu dir und gebe dir einen Kuss auf die Stirn, weil das alles ist, was ich dir hier lassen kann.
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