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[review] Vom Ende der Einsamkeit | Benedict Wells

Das Buch

Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.

Den Tod in allen Facetten kennenlernen darf in Jules Moreau, als jüngstes von drei Geschwistern, sehr bald. Bei einem tragischen Autounfall kommen seine Eltern ums Leben und er muss alsbald in ein Internat. Jules lernt im Internat bald darauf Alva kennen, mit der er seine Zeit am liebsten verbringt. Doch auch bald ist Alva für ihn gestorben.  Seine Geschwister erleben tragische Momente und entfernen sich immer weiter von einander. Ob sie je wieder zusammenfinden? Ob es je wieder eine Chance für Alva und Jules gibt?

Der Autor

Quelle: hannoversued

Benedict Wells (*1984 in München)
entschied sich gegen ein Studium und für das Schreiben
Sein Debütroman: Beck’s letzter Sommer erschien 2008
er wurde für „Vom Ende der Einsamkeit“ mit dem European
Union Prize for Literature (EUPL) 2016 ausgezeichnet
Wells wuchs selbst im Internat auf
er hat bereits 4 Bücher veröffentlich, darunter auch
Spinner und fast genial
Wells lebt in Berlin und manchmal in Barcelona

Die Ansicht

Lange hat es nicht gedauert, bis ich das Buch ausgelesen gehabt habe. Ich habe wohl 230 Minuten daran gesessen, bis ich es in mich aufgenommen und wie ein schwarzes Loch absorbiert hatte. Ich mag Jules. Er ist so ein feiner Charakter. Man muss sich zwangsläufig in Jules verlieben. Was habe ich mich verliebt in diesen Kerl! Er ist so still und trotzdem verwegen, ein Bewahrer der Situationen und Kopfmensch. Er leidet und man leidet mit ihm. Und ich mochte Alva, sie ist mir sehr ähnlich. Ich mochte, dass Romanov vorkommt, und ich mag, dass es so liebe Details über Frankreich enthält. Was mich am allermeisten beeindruckt hat ist, dass das Buch flächendeckend über Einsamkeit berichtet, aber man nie und an keiner Stelle in Buch alleine gelassen wird. Ständig begleitet einer der Protagonisten einen mit in die Einsamkeit, die dieses Buch manchmal in einem zurücklässt – wenn wieder jemand den Kampf mit dem Tod nicht gewinnen kann, wenn Einsamkeit zurückbleibt auf Münchner Bahnhöfen. Es hat mich zum Einem ratlos zurückgelassen und zum Anderen ratlos zurückgelassen, wenn Wells schreibt:

Eine schwierige Kindheit ist wie ein unsichtbarer Feind: Man weiß nie, wann er zuschlagen wird.

Ja, das ist es. Schwierige Kindheiten prägen Menschen ein Leben lang. Es gibt Erinnerungen, die immer einen triggern werden, die schmerzhaft sind, die Vertrauen schwer möglich machen. Es sind frühe Verlusterfahrungen, die es einem schwer machen, loszulassen und sich auf jemanden einzulassen. Wells beschreibt anhand der Geschichte von Jules, dass es Menschen gibt, an die man immer wieder denkt und nicht von ihnen loskommt. Er beschreibt Auswege aus schwierigen Kindheiten und auch Ängste, die einen befallen, wenn die Zukunft ansteht. Es ist so ein feines Buch. Die 230 Minuten Lesezeit waren jede Minute davon wert.

Die Information

booknerds.de

 

Vom Ende der Einsamkeit
Benedict Wells
Diogenes Verlag
Preis: 22,70€ (gebundene Ausgabe)

[review] QualityLand | Marc-Uwe Kling

Das Buch

Nun reist du also zum ersten Mal in deinem Leben nach QualityLand. Bist du schon aufgeregt? Ja? Aus gutem Grund!

QualityLand lautet die Antwort auf alle Fragen „Ok.“. In QualityLand ist alles elektronisch. Du küsst dein QualityPad, wenn du bezahlen möchtest, hast einen Ohrwurm (sprichwörtlich!) im Ohr, der dich über das Neueste informiert. In QualityLand brauchst du dir nichts zu wünschen, weil Algorithmen berechnen, was du haben möchtest. Praktisch! Nur für Peter Arbeitsloser, gelernter Maschinenverschrotter, nicht. Der bekommt eines Tages einen rosa Delphinvibrator zugesandt, den er aber sicher nicht haben wollte. Während er alles dran setzt, sein unerwünschtes Geschenk zurückgeben zu können, verlässt ihn seine Freundin, diverse Maschinen und Androiden werden seine beste Freunde und schlussendlich begegnet ihm Kiki und der Alte. Peter, als Level 9 Mensch, gilt in der QualityGesellschaft als Nutzloser und beginnt nun seinen Rückgabekampf gegen Windmühlen und Algorithmen…

Der Autor

Quelle: oystr.info

Marc-Uwe Kling (*1982 in Stuttgart)
ist deutscher Liedermacher, Kabarettist und Kleinkünstler
schrieb zuvor die Känguruh-Triolgie
QualityLand ist sein viertes Buch

Die Ansicht

Das Buch habe ich gelesen, weil es in diversen sozialen Netzwerken so hochgelobt wurde. Was soll man sagen: Gesellschaftskritik. Ja, auch. Futuristisch: Ja, vielleicht. Aber ingesamt: Beschreibung der gegenwärtigen Situation in Verbindung mit der Idee wie die Welt in ein paar Jahren sein könnte. Es ist keine neue Idee, dass eine Frau ihren Freund verlässt, weil sie gesellschaftlichen Aufstieg macht (umgekehrt auch). Es ist nichts Neues, dass es Drecksgeschäfte in der Politik gibt, nichts Neues, dass schmieriges Material zum Erpressen dient. Es ist nichts Neues, dass man Angst vor Automatisierung hat. Die Frage, ob die Digitalisierung vielleicht Fluch und Segen zu gleich sein kann, ob es tatsächlich dauerhafte Versklavung ist, stellt sich nicht. Leider. Trotz sympatischer Figuren. Sehr ans Herz gewachsen ist mir Kalilope 7.3., ein Schriftsteller-Android. Oder Pink, das kaputte QualityPad. Romeo, der gehemmte Sexroboter. Was auffällt bei Dystopie-Romanen wie diesen: Die Personen sind zumeist ausgefeilte Trottel, nur die Helden nicht. Eine sehr fratzenhafte Zeichung der Personen. Lustig war es trotzdem. Manchmal zumindest.

Die Information

Quelle: amazon.de

QualityLand
Marc-Uwe Kling
Ullstein

Preis: 18,50€ (gebundene Ausgabe)

[review] Études | Friederike Mayröcker

Das Buch

Frischgefallener Schnee=
die Blüten des Winters
Sängerin „N.“ ist verstummt ach.
Erfroren

Mayröcker. Meisterin des Prosagedichts, schrieb zwei Jahre morgens immer Textfragmente, im Lauf des Jahres angepasste Worte,und auch wieder nicht. Ein Roman, der erzählt und auch wieder nicht. Der Kaffeehausaufenthalte schildert, genauso wie Flohmärkte, Erinnerungen und Begegnungen, Widmungen – in eine starke Sprache gefasst, eine Rock-Hymne mit ebenso leisen Tönen, ein Lebenszeichen, dass weit weg vom Ende ist.

 

Die Autorin

Quelle: liz.de

Friederike Mayröcker (*1924 in Wien)
zunächst Pädagogin, später ausschließlich Schriftstellerin
schreibt Prosa, Lyrik und Hörspiele
Preisträgerin Österreichischer Buchpreis

Die Ansicht

Wer einen normalen Roman erwartet, der würde hier bitter enttäuscht werden. Doch: als Liebhaberin von Lyrik ist dieses Buch empfehlenswert. Mayröcker sagte, dass sie in Bilder denkt, und diese Bilder niederschreibt, dass alles, was sie macht, eine Transformierung von Bild zu Sprache wäre. Ich mag die indirekt beschriebenen Szenen, in denen sie von Ernst Jandl schreibt (mit dem sie knapp 50 Jahre in Wien wohnte und lebte), von ihren Spaziergängen in Wien, ihren Kindheitserinnerungen. Es ist keine Erzählung, es ist das Wilde, dass durch ihre Etüden schweift:

Liebst in den Zweigen die Tage in ihre Süsze im belaubten Himmel die Langsamkeit des Gestirns: wir lauschten wir schwiegen wir fluteten mit den Wolken (Mayröcker, S.84)

Die Information

Études

Quelle: suhrkamp.de

Friederike Mayröcker
Suhrkamp
Preis: 20,60€ (gebundene Ausgabe

 

[review] Winters Garten | Valerie Fritsch

Das Buch

Anton Winter wuchs als Sohn eines Geigenbauers auf in einem riesigen Garten zu eine Zeit, als man noch in ein Schicksal hineingeboren werden konnte.

 

Anton Winter lebt mit seinem Bruder, seinen Eltern und seinen Großeltern am Rande einer Stadt in einem Haus mit einem wunderbaren, riesigen Garten. Der Garten ist ein Paradies, wahrhaftig und doch nah. Als seine Großmutter stirbt, zieht Anton in die Welt aus. Erst als eine Frau kennenlernt und die Wirren des Weltuntergangs zuschlagen, kehrt Anton in den wunderbaren Garten zurück…

Die Autorin

Valerie Fritsch (*1989 in Graz)
studierte Jura und Germanistik (nicht fertig)
lebt als Schriftstellerin und Photokünstlerin in Graz
Bisher erschienen:

2011: VerkörperungEN – Leykam Verlag,
2015: Kinder der Unschärferelation – Leykam Velag

Quelle: zeit.de

Die Ansicht

Sprachlich war dies mit Abstand der gewaltigste Roman, den ich je lesen durfte. Ich war beeindruckt, wie groß und pathetisch ein Roman sein kann, den jemand schreibt, der so alt ist wie ich. Und: es hing nicht an den Personen, dass ich das Buch an einem Nachmittag verschlungen hatte. Anton Winter steht als Metapher der allgemeinen Gefühlslosigkeit im Raum, die Sehnsucht nach einem Paradies, das es nie geben wird. Es ist die Härte, die einen trifft zwischen all dem Schönen. Die Endzeit in diesem Buch, die so wenig einen Blockbuster gleicht. Das Poetische zwischen den Zeilen. Ein grandioses Buch durch und durch.

Längst war ein Perpetuum Mobile aus zwei Menschen in Gang gesetzt, so selbstgenügsam wie selbstvergessen (Fritsch 2015)

Die Information

Quelle: suhrkamp.de

Winters Garten
Valerie Fritsch
Suhrkamp
Preis: 17,50 (gebundene Ausgabe)

 

[review] Mostviertler | Helmut Scharner

Das Buch

Dezember 1998. Ybbsitz. In der Garage rostete der dunkelrote Ford Escort vor sich hin. Sein stark zerkratztes Paar Skier lehnte Hans samt den Stöcken daneben an die Wand.

Hans fährt nicht nur leidenschaftlich gerne Ski, sondern arbeitet in der Firma Schuster GmbH, einer Schuhfirma in Waidhofen an der Ybbs. Sonst kümmert er sich um seine Freundin Juliana, mit der – so seine Ansicht – recht glücklich ist. Wäre da nicht sein Chef Jakob Schuster, der sein Leben durcheinander bringt. Nicht nur privat lässt er es krachen und spannt Hans die Freundin aus, sondern geht auch beruflich buchstäblich über Leichen: Schuster GmbH möchte Global player werden und eine vietnamesische Fabrik übernehmen, egal mit welchen Mitteln. Das wird ihm schließlich zum Verhängnis…

Der Autor

Quelle: krimiautoren.at

Helmut Scharner (*1975 in Niederösterreich)
Sales Manager für VOEST alpine
lebt mit seiner Familie in Waidhofen an der Ybbs
schreibt gerade an seinem zweiten Kriminalroman

 

Die Ansicht

Das Buch habe ich kurz vor Weihnachten in der örtlichen Buchhandlung erworben. Kriminalromane sind normalerweise nicht unbedingt mein Genre, aber das Cover habe ich mit der Stadt Waidhofen an der Ybbs und dem glänzenden Ybbs-Fluss großartig gefunden. Zudem schätze ich es sehr, dass es Autoren in meiner Heimat gibt, die Bücher schreiben. Die Idee fand ich zudem witzig ein Buch zu lesen, dessen Ortschaften mir besonders gut vertraut sind, da sie auch ein Teil meiner Heimat sind. Helmut Scharner hat mit „Mostviertler“ seinen Debüt-Kriminalroman hingelegt und ist dafür gut gelungen. Die Zeichnung der Figuren ist ausreichend, es wird jedoch schon von Anfang an klar, wer zu den „Guten“ gehört und wer eben nicht. Gestört hat mich zudem, dass man 3/4 des Buches gelesen haben musste, bis der Kriminalkomissar, der im Klappentext angekündigt worden war, überhaupt auf dem Tapet erschien. Für Menschen die wirklich Lust am Auflösen von Kriminalfällen haben, ist das Buch eher nicht geeignet. Trotzdem war das Buch ein Vergnügen, weil es sich unglaublich viel mit Globalisierung und Fairplay beschäftigt. Das Thema „Fairtrade“  und „fair gehandelte Schuhe“ nehmen einen großen Teil des Buches ein und lädt zum Umdenken ein. Ich habe nach dem Buch jedenfalls recherchiert, wer fair gehandelte Sportschuhe anbietet. Und die Bilanz ist wirklich traurig. Das hat das Buch allenfalls geschafft.

Die Information

Quelle: amazon.de

Mostviertler
Helmut Scharner
Gmeiner Verlag
Preis: 13,40 (Taschenbuch)

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