„Reflektierte Rollenmodelle zu Hause sind wichtig, aber das allein wird nicht ausreichen. Es braucht in vielen Bereichen ein komplettes Umdenken und die damit einhergehenden strukturellen Veränderungen.“

Für diese Veränderungen benötigt man Macht, so die These der Autorin Vera Steinhäuser – Macht, die derzeit männlich geprägt ist und Teil des Patriachats. Macht kann weiblich sein, Macht war schon weiblich, sie wird es wieder werden. Anhand des Machtbegriffs begibt sich die Autorin zunächst in die Vergangenheit und legt einen Abriss der Geschichte des Matriarchats vor, genauso wie Macht aus der Frauenperspektive gedacht wurde und weibliche Macht nicht mit Sexualität einhergehen muss. Sie nähert sich Schritt für Schritt der Gegenwart und arbeitet hier sehr wissenschaftlich die Themen Mental Load, sowie Care Arbeit ab. Beeindruckend wird man die Darstellung des Maternal Gatekeeping finden (samt Podcast-Folge, die man sich dazu anhören kann), also eine sehr enge Mutter-Kind Bindung, die Partner außen vorlässt und somit zur Machtposition in Bezug auf das Kind wird.

Viele Themen fächert  Steinhäuser im Gegenwartskapitel auf: Emotionale Machtkämpfe in Bezug auf Sexualität, weibliche Berufe, Gender und Schule, Mutter Da-Sein und Social Media, Machtsituationen in modernen Beziehungen, Gleichberechtigung in Wirtschaft und Politik oder auch Einkommensunterschiede.

Ein sehr großes Kapitel nimmt auch das Thema Heirat und Ehe ein – die Autorin legt gleich zu Beginn offen, dass sie eine Gegnerin des patriarchalen Konstrukts der Ehe ist:

„Eine Vorwarnung für alle verheirateten Leser*innen: Es kann durchaus sein, dass auf den folgenden Seiten Content kommt, der euch nicht gefällt. Denn ich möchte mich gleich zu Beginn des Kapitels klar als Gegnerin der Ehe outen“ mir ist das wichtig, denn ich weiß mittlerweile, wie kontrovers diese Haltung von meinem Umfeld immer wieder aufgenommen wird. Also lasse ich hier besser gleich die Katze aus dem Sack.“

Sie erzählt im Folgenden dann einen historischen Abschnitt über die Ehe und wie erst im 20. Jahrhundert rechtlich die Hausfrauenehe abgeschafft wurde und Frauen es somit gestattet war, arbeiten zu gehen, ohne ihren Mann zu fragen. Auch hier wird erneut die Rolle aus Hausfrau und Mutter eingewebt.

Im letzten Kapitel des Buches widmet sie sich der Machtentwicklung von Frauen und schlägt hier Persönlichkeitsentwicklung, Empowerment-Faktoren und Gestaltungsmöglichkeiten wie neue Wege der Kindererziehung oder die Ermächtigung anderer Frauen vor. Steinhäuser liest sich in diesem Kapitel besonders authentisch, man merkt beim Lesen, dass dies Sätze sind, die sie mehrfach in ihren Coachings anderen Frauen mitgegeben hat. Hier wird klar: Steinhäuser will mit diesem Buch Frauen aus ihrer Machtlosigkeit helfen.

Nachbetrachtet zeigt sich die Not, die man mit dem inhaltlichen Bau eines solchen Buches hat: Die Gegenwart lässt sich schwer von der Vergangenheit trennen und die darauffolgenden Kapitel benötigen eine historische, sowie gegenwärtige Einordnung. Zeitgleich macht sie die Einteilung in Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft unsinnig. Eine thematische Einteilung nach bspw. Frau und Beruf, Frau und Partnerschaft, …, wäre angenehmer zu lesen und nicht so viel Chaos im Kopf hinterlassen.  Gut hingegen sind die rosa unterlegten Coaching Elemente, sowie die QR-Codes, die zu Podcast-Folgen und Interviews weiterführende Einsichten anbieten.

Die Macht Zentrale ist ein Buch (aber nicht nur, sondern auch ein Instagram Account und eine WhatsApp Gruppe), das vor allem Leser*innen gefallen dürfte, die gern populärwissenschaftliche Bücher lesen, und dennoch einen gewissen Anspruch an Wissenschaftlichkeit haben, aber gerne eine leichte Vermittlung dafür hätten. Leser*innen, die an Feminismus interessiert sind, werden sich in diese Themen mehrfach bereits eingelesen haben und auch die zitierten Studien darin wiedererkennen – Neuigkeitswert bietet es vor allem für Leute, die sich dem feministischen Diskurs der Gegenwart annähern wollen, dabei aber queere und intersektionale Aspekte noch außen vorlassen wollen. Leser*innen, die Mentaltraining mögen, werden es lieben, genauso wie Frauen in Businessjobs mit und ohne Führungsverantwortung:

„Und diesen Mut zu haben, zahlt sich aus. Denn nur mit Mut können wir uns aus der Patrix befreien. Wir können Dinge tun, auch mit der Angst.“

[information] Vera Steinhäuser: Die Macht Zentrale. Kremayr & Scheriau. 192 Seiten. ISBN: 978-3-218-01374-1, 24 Euro.