[review] Als ich dem Tod in die Eier trat :: Alexander Greiner

In Alexander Greiners Debüt „Als ich dem Tod in die Eier trat“ wird am Beginn ein Albtraum jedes Mannes offenbart: Alexander hat nicht dicke Eier, wie er zunächst selbst denkt, sondern Hodenkrebs. Was tun mit so einer Diagnose? Weitermachen wie immer ist jedenfalls nicht möglich. Nach und nach zeigt der Krebs nicht nur seine physischen Auswirkungen, auch psychische Komponenten werden vermehrt zur Last. Dazu steht sein ganzes Leben nun auf dem Prüfstand: eine berufliche Umorientierung, die Suche nach dem leiblichen Vater, der Freundeskreis. Nicht nur das: Eine Odyssee zwischen Krankenhäusern und verschiedenen Ansätzen der Krebsbehandlung steht Alexander bevor.

Quelle: kremayr&scheriau

Alexander Greiner hat einen sehr offenen Ton für sein Buch gewählt, das aufgrund seiner Thematik nicht intimer sein könnte. Es ist eine Biographie, die nicht nur informiert, sondern auch Mut macht. Greiner erzählt einfühlsam von seinem Notfallkoffer, den er sich erarbeitet hat, um gegen die Krankheit ankämpfen zu können. Darin haben Angst und Unsicherheit genauso Platz, wie Offenheit und ein gesundes Misstrauen. Sehr treffend fasst er ebenso den Begriff „Achtsamkeit“ zusammen:

Für mich bedeutet achtsam zu sein, wahrzunehmen, was um mich herum passiert, wie ich mich verhalte, was in mir abläuft, was im Gegenüber geschieht. Achtsam zu sein, heißt für mich, die schönen Dinge des Lebens wahrzunehmen: die Natur, die Tiere, die Sonne, das Licht, Klänge und Geräusche, Gerüche, Geschmäcker und Gefühle sowie was zwischen Menschen, passiert, die ich beobachte oder mit denen ich interagiere.

Als ich dem Tod in die Eier trat, S. 102f.

Greiner schafft es, behutsam zwischen den Seiten das Gefühl zu vermitteln, dass seine Krankheit nicht unbedingt jeglichen Lebensbereich komplett vereinnahmen muss und dass es sogar wichtig ist, seine Lebensziele nicht komplett dem Krebs unterzuordnen. Während das entstehende Dickicht beruflicher Neuorientierung besonders interessant für Menschen in ähnlicher Lebenslage ist, findet man im Gegenzug für jene, die Familiengeschichten mögen, auch die Suche nach dem leiblichen Vater. Besonders beindruckend ist jedoch der Leitfaden, der sich zwischen den Zeilen des Buches findet: Alexander Greiner zeigt, welche Barrieren sich im Zuge der Krebsbehandlung auftun: eine Verödung einer Vene stellt sich dabei als das geringste Problem heraus:


Auf meinen Unterarm tropfte etwas Flüssigkeit aus dem Schlauch mit der Chemotherapie, als der Pfleger ihn an den Venenzugang anschließen wollte. Ich hatte im Internet gelesen, dass Zytostatika nur mit Handschuhen verabreicht würden, weil sie so gefährlich sind, doch hier trug niemand welche und ich konzentrierte mich auf die Stelle am Unterarm, um möglichst schnell zu spüren, falls die Haut gereizt würde.

Als ich dem Tod in die Eier trat, S.160

Es ist ein sehr lehrreiches Buch, das medizinische Fachbegriffe einfach verständlich erklärt und ebenso das Ziel verfolgt, die Ärzteschaft charakterlich in ihren Ausformungen vorzustellen. Es lehrt auch, dass man für seinen Krebserkrankung Geduld braucht. Im Kopf bleibt vor allem ein Zitat hängen:

Sinnigerweise wurde bei meinem Hodenkrebs der Beta- hCG-Wert im Blut geprüft. Bei Frauen ist dieser Wert während einer Schwangerschaft extrem erhöht. Klingelt es? Da entsteht auch neues Leben. Ich war mit Krebs schwanger.

Als ich dem Tod in die Eiertrag, S. 153

Das Buch ist ein Beweis dafür, was Optimismus schafft: Eine positive Einstellung zum Krebs hilft, gegen ihn anzukämpfen. Auch wenn man leider nicht mehr erfährt, was Greiner nun tatsächlich beruflich sich in den Kopf gesetzt hat, ist es ein Mahnmal für Männer, so abseits von jedem Patrichatsgetue, das zeigt, wie offen und stark man als Mann mit so einer Erkrankung umgehen kann. Greiner lässt spüren, wie er im Schreibprozess immer wieder Distanz zu sich selbst sucht. Sein Blick ist dabei scharf und wach. So ein Buch tut gut.

// INFORMATION // ALEXANDER GREINER // ALS ICH DEM TOD IN DIE EIER TRAT // KREMAYR&SCHERIAU // 224 SEITEN // 22 EURO

:: Ein großes Dankeschön an K&S, die mir ein Rezensionsexemplar kostenlos zur Verfügung gestellt haben.

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