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[review] Die Seiten der Welt #1 | Kai Meyer

Buch

Während sie die Stufen zur Bibliothek hinablief, konnte Furia die Geschichten der Welt schon riechen: den besten Geruch der Welt.

Furia lebt mit ihrem Bruder Pip und ihrem Vater auf einem englischen Landsitz, der in der Einöde liegt. Dort versteckt sich ihr Vater, da er Angst hat von der Akademie aufgegriffen zu werden. Furia Salamandra Faerfax hat andere Sorgen: Sie weiß, dass sie das bibliomantische Talent ihres Vaters geerbt hat und sucht in der Bibliothek nach ihrem Seelenbuch, das sie unbedingt braucht um ihre volle Macht zu entfalten. Doch dann wird Furias Vater umgebracht und ihr Bruder von einer geheimnissenvollen Frau namens Mater Antiqua entführt und sie muss in den Londoner Underground in Libropolis untertauchen. Dort trifft sie auf Cat, die Diebin und Finnian, den Rebellen und allerhand Exlibri, als Personen, die aus Büchern gefallen sind und muss sich gegen die Akadamie und dem Personal von Mater Antiqua wehren…

Autor

Kai Meyer (*1969) in Lübeck
studierte Theater, Film und Philosophie
ist einer der wichtigsten Fantasy-Autoren des deutschsprachigen Raumes
hat über 50 Romane veröffentlicht und wurden in 30 Sprachen übersetzt

Ansicht

Nachdem ich vor ein paar Wochen den zweiten Band gelesen hatte, weil ich immer gerne schaue, ob die Serie eines Buches auch ohne das Erstbuch funktioniert, habe ich nun auch das erste Buch gelesen (und soviel sei verraten das dritte Buch folgt auch, man will ja eine Serie beenden auch, wenn man sie schon angefangen hat). Was mir auffiel beim Lesen: Ich war mir nicht sicher, ob das Buch von vornherein als Serie geplant war. Zunächst wirkt es wie ein Einzelbuch, das zum Schluss hin immer mehr mit Details gespickt wurde, so dass man bereits auf den letzten 100 Seiten erahnen kann, dass dem Buch ein weiteres folgen würde. Das Buch erschein im FJB-Verlag und richtet sich demnach an Jugendliche. Mit der zunehmenden Komplexität, mit der das Buch geschrieben wurde, ist das Buch nicht weniger trivial als Bücher, die sonst im Fantasy-Bereich veröffentlicht werden und auch für Menschen geeignet, die dem Jugendalter bereits entwachsen sind. Die Komplexität des Buches hat Auswirkung auf den Spannungsbogen, der am Anfang am höchsten ist und dann weiter abflacht. Der erste Band ist dennoch spannender geschrieben als der zweite Band und er erklärt tiefreichender die Begrifflichkeiten, die im zweiten Band etwas als gegeben hingenommen werden.  Als sehr angenehm habe ich es empfunden, die Charaktere auch im ersten Band nicht komplett ausformuliert vorgefunden zu haben, da es im Kopf mehr Freiraum lässt. Die größte Stärke in diesem Buch ist die eigenen Bücherwelt mit ihren eigenen Begriffen. Das Thema ist für Bibliophile wunderbar anregend. Man will nicht vergessen: Die Hardcover-Gestaltung ist großartig mit den goldenen Linien und einem eigenen Lipropolis-Lesezeichen (Ich habe das Buch am E-Reader gelesen, finde ich bei so großen Seitenzahlen angenehmer als den Schmöcker in der Hand). Doch: die größte Schwäche des Buches ist das, was ich als „Falle der Elternlosigkeit“ bezeichne, ist auch diesem Buch passiert: Die Eltern werden den Jugendlichen aus ihrem Leben gerissen und machen das, was bereits aus Märchen sehr tradiert ist: Eine Elternlosigkeit zur Schau stellen, die Kinder- und Jugendbücher mitunter sehr grausam macht und die Bindungsfähigkeit triggert. Ich werde das dritte Buch dennoch lesen: Auch aus der Neugierde heraus, wie viele geliebte Menschen man als Schriftsteller Jugendlichen nehmen will und kann.

Information

Die Seiten der Welt
Kai Meyer
2014, 560 Seiten
Preis: 20, 60 € (gebundene Ausgabe) 

 

[review] Vom Ende der Einsamkeit | Benedict Wells

Das Buch

Ich kenne den Tod schon lange, doch jetzt kennt der Tod auch mich.

Den Tod in allen Facetten kennenlernen darf in Jules Moreau, als jüngstes von drei Geschwistern, sehr bald. Bei einem tragischen Autounfall kommen seine Eltern ums Leben und er muss alsbald in ein Internat. Jules lernt im Internat bald darauf Alva kennen, mit der er seine Zeit am liebsten verbringt. Doch auch bald ist Alva für ihn gestorben.  Seine Geschwister erleben tragische Momente und entfernen sich immer weiter von einander. Ob sie je wieder zusammenfinden? Ob es je wieder eine Chance für Alva und Jules gibt?

Der Autor

Quelle: hannoversued

Benedict Wells (*1984 in München)
entschied sich gegen ein Studium und für das Schreiben
Sein Debütroman: Beck’s letzter Sommer erschien 2008
er wurde für „Vom Ende der Einsamkeit“ mit dem European
Union Prize for Literature (EUPL) 2016 ausgezeichnet
Wells wuchs selbst im Internat auf
er hat bereits 4 Bücher veröffentlich, darunter auch
Spinner und fast genial
Wells lebt in Berlin und manchmal in Barcelona

Die Ansicht

Lange hat es nicht gedauert, bis ich das Buch ausgelesen gehabt habe. Ich habe wohl 230 Minuten daran gesessen, bis ich es in mich aufgenommen und wie ein schwarzes Loch absorbiert hatte. Ich mag Jules. Er ist so ein feiner Charakter. Man muss sich zwangsläufig in Jules verlieben. Was habe ich mich verliebt in diesen Kerl! Er ist so still und trotzdem verwegen, ein Bewahrer der Situationen und Kopfmensch. Er leidet und man leidet mit ihm. Und ich mochte Alva, sie ist mir sehr ähnlich. Ich mochte, dass Romanov vorkommt, und ich mag, dass es so liebe Details über Frankreich enthält. Was mich am allermeisten beeindruckt hat ist, dass das Buch flächendeckend über Einsamkeit berichtet, aber man nie und an keiner Stelle in Buch alleine gelassen wird. Ständig begleitet einer der Protagonisten einen mit in die Einsamkeit, die dieses Buch manchmal in einem zurücklässt – wenn wieder jemand den Kampf mit dem Tod nicht gewinnen kann, wenn Einsamkeit zurückbleibt auf Münchner Bahnhöfen. Es hat mich zum Einem ratlos zurückgelassen und zum Anderen ratlos zurückgelassen, wenn Wells schreibt:

Eine schwierige Kindheit ist wie ein unsichtbarer Feind: Man weiß nie, wann er zuschlagen wird.

Ja, das ist es. Schwierige Kindheiten prägen Menschen ein Leben lang. Es gibt Erinnerungen, die immer einen triggern werden, die schmerzhaft sind, die Vertrauen schwer möglich machen. Es sind frühe Verlusterfahrungen, die es einem schwer machen, loszulassen und sich auf jemanden einzulassen. Wells beschreibt anhand der Geschichte von Jules, dass es Menschen gibt, an die man immer wieder denkt und nicht von ihnen loskommt. Er beschreibt Auswege aus schwierigen Kindheiten und auch Ängste, die einen befallen, wenn die Zukunft ansteht. Es ist so ein feines Buch. Die 230 Minuten Lesezeit waren jede Minute davon wert.

Die Information

booknerds.de

 

Vom Ende der Einsamkeit
Benedict Wells
Diogenes Verlag
Preis: 22,70€ (gebundene Ausgabe)

[review] Études | Friederike Mayröcker

Das Buch

Frischgefallener Schnee=
die Blüten des Winters
Sängerin „N.“ ist verstummt ach.
Erfroren

Mayröcker. Meisterin des Prosagedichts, schrieb zwei Jahre morgens immer Textfragmente, im Lauf des Jahres angepasste Worte,und auch wieder nicht. Ein Roman, der erzählt und auch wieder nicht. Der Kaffeehausaufenthalte schildert, genauso wie Flohmärkte, Erinnerungen und Begegnungen, Widmungen – in eine starke Sprache gefasst, eine Rock-Hymne mit ebenso leisen Tönen, ein Lebenszeichen, dass weit weg vom Ende ist.

 

Die Autorin

Quelle: liz.de

Friederike Mayröcker (*1924 in Wien)
zunächst Pädagogin, später ausschließlich Schriftstellerin
schreibt Prosa, Lyrik und Hörspiele
Preisträgerin Österreichischer Buchpreis

Die Ansicht

Wer einen normalen Roman erwartet, der würde hier bitter enttäuscht werden. Doch: als Liebhaberin von Lyrik ist dieses Buch empfehlenswert. Mayröcker sagte, dass sie in Bilder denkt, und diese Bilder niederschreibt, dass alles, was sie macht, eine Transformierung von Bild zu Sprache wäre. Ich mag die indirekt beschriebenen Szenen, in denen sie von Ernst Jandl schreibt (mit dem sie knapp 50 Jahre in Wien wohnte und lebte), von ihren Spaziergängen in Wien, ihren Kindheitserinnerungen. Es ist keine Erzählung, es ist das Wilde, dass durch ihre Etüden schweift:

Liebst in den Zweigen die Tage in ihre Süsze im belaubten Himmel die Langsamkeit des Gestirns: wir lauschten wir schwiegen wir fluteten mit den Wolken (Mayröcker, S.84)

Die Information

Études

Quelle: suhrkamp.de

Friederike Mayröcker
Suhrkamp
Preis: 20,60€ (gebundene Ausgabe

 

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